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[31.03. – 13.04.2021] Auf Grundlage öffentlicher Berichte anderer NGOs, internationaler Organisationen und der internationalen Presse geben wir einen Überblick zu Such- und Rettungseinsätzen in den letzten zwei Wochen im zentralen Mittelmeer. Dieser hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, verschafft aber einen Eindruck über die Entwicklungen in dem Gebiet, in dem wir seit 2016 als Such- und Rettungsorganisation tätig sind.

Menschen fliehen weiterhin über das zentrale Mittelmeer, während keine zivilen Rettungsschiffe vor Ort sind

Ende März und Anfang April versuchten Hunderte von Menschen, über das Mittelmeer aus Libyen zu fliehen, obwohl in weiten Teilen des zentralen Mittelmeers keine Rettungskapazitäten vorhanden waren. Einige Flüchtende wurden von der libyschen Küstenwache abgefangen und in das unsichere Libyen zurückgezwungen, während andere Italien erreichten oder von italienischen Behörden gerettet wurden.

Am ersten Aprilwochenende meldete die NGO Alarm Phone mehrere Boote in Seenot. Zu einem der Boote verlor die NGO den Kontakt, während dieses mit 110 Menschen an Bord in der maltesischen Such- und Rettungszone trieb. Das maltesische Militär veröffentlichte später eine Erklärung, in der es hiess, das Boot habe Italien erreicht und wies damit den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung zurück.

All dies geschah, während seit Anfang des Monats keine zivilen Rettungsschiffe im zentralen Mittelmeer im Einsatz waren. Nachdem 208 Gerettete vier Tage lang auf dem Rettungsschiff Open Arms auf die Zuweisung eines sicheren Orts gewartet hatten, konnten sie am 1. April in Pozzallo auf Sizilien von Bord gehen. Zurzeit nähert sich die Crew der Open Arms dem Ende einer 14-tägigen Quarantäne im Hafen von Pozzallo.

Nach dem Ende einer 14-tägigen Quarantäne und einem Crewwechsel in Augusta bereitet sich das neue Team auf der Ocean Viking auf den bevorstehenden Einsatz vor.

Am vergangenen Wochenende wurde die Festsetzung der Alan Kurdi, Rettungsschiff der deutschen NGO Sea Eye, durch eine Eilmassnahme des Verwaltungsgerichts von Olbia ausgesetzt. Diese einstweilige Entscheidung ermöglicht es der Alan Kurdi nach Spanien zu fahren, wo notwendige Inspektionen und Wartungsarbeiten durchgeführt werden können. Ein Gerichtstermin ist für den 3. November 2021 angesetzt, um zu klären, ob die Inhaftierung an sich rechtmässig war.

Ein Toter, zwei Verletzte bei Schiesserei in Haftanstalt in Tripolis; UN-sanktionierter mutmasslicher Menschenhändler auf freiem Fuss, während EU-Behörden die Zusammenarbeit mit Libyen im Bereich Migration bestätigen

Am 8. April wurden bei einer Schiesserei im „Al-Mabani Collection and Return Centre“, einem Haftzentrum in Tripolis, eine Person getötet und zwei Jugendliche im Alter von 17 und 18 Jahren verletzt. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen (MSF) wurden wahllos Schüsse in Zellen der Haftanstalt abgefeuert.

Der Vorfall zeigt erneut, welchen Gefahren Tausende willkürlich inhaftierte Männer, Frauen und Kindern in ganz Libyen ausgesetzt sind. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen sind viele dieser Haftanstalten zunehmend überfüllt. Dies ist zum Teil auf die Zunahme der erzwungenen Rückführungen durch die libysche Küstenwache (LCG) zurückzuführen. Den meisten von der libyschen Küstenwache abgefangenen und nach Libyen zurückgebrachten Menschen droht willkürliche Inhaftierung. So auch im Fall der 138 Männer, Frauen und Kinder, die in der Nacht zum 31. März von der libyschen Küstenwache in Tripolis an Land gebracht wurden (UNHCR).

Am vergangenen Wochenende wurde der ehemalige Chef der Küstensicherung von Zawiya und mutmassliche Menschenhändler Abdel-Rahman Milad, bekannt als Bija, aus Mangel an Beweisen aus dem Gefängnis entlassen. Milad wurde 2018 vom UN-Sicherheitsrat wegen Menschenhandels sanktioniert. Im vergangenen Oktober wurde er unter dem Vorwurf des Treibstoffschmuggels und Menschenhandels verhaftet. Vor seiner Freilassung wurde er in den Rang eines Majors der libyschen Küstenwache befördert, wie die italienische Zeitung Avvenire berichtet.

Sowohl der maltesische Premierminister Robert Abela als auch der italienische Premierminister Mario Draghi besuchten Anfang April Libyen. Abela kündigte an, dass Malta seine Botschaft wiedereröffnen und die Flüge nach Libyen wieder aufnehmen werdeDraghi lobte die Bemühungen der libyschen Behörden, „den Strom der Migranten nach Europa einzudämmen“. Auch der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, besuchte Anfang des Monats Tripolis. Er erklärte, dass die EU die Einheitsregierung weiterhin in verschiedenen Politikbereichen, einschliesslich der illegalen Einwanderung, unterstützen werde.

Telefongespräche von Menschenrechtsanwält*innen und Journalist*innen, die über Migration im zentralen Mittelmeer berichten, von italienischen Staatsanwälten abgehört

Eine Untersuchung des italienischen öffentlich-rechtlichen Senders Rai News und der Zeitung Domani ergab, dass italienische Staatsanwälte Telefongespräche von Journalist*innen, Menschenrechtsanwält*innen und Mitarbeiter*innen von Nichtregierungsorganisationen im Rahmen einer Untersuchung über den Vorwurf der Komplizenschaft mit Menschenschmugglern in Libyen abgehört haben. Zu den Gesprächen, die von Staatsanwält*innen aus Trapani heimlich aufgezeichnet wurden, gehören Gespräche zwischen Journalist*innen und ihren Anwält*innen sowie vertrauliche Quellen und Telefonate von Mitarbeiter*innen der NGOs Save the Children und Ärzte ohne Grenzen.

Das italienische Justizministerium kündigte an, dass dringende Vorermittlungen gegen die Staatsanwaltschaft Trapani durchgeführt würden.

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Fotonachweis: Anthony Jean / SOS MEDITERRANEE

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