„Auf dem Boot mussten wir die meiste Zeit zusammengekauert verbringen, einer über dem anderen.“

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Faduma* ist 26 Jahre alt und kommt aus Somalia. Sie wurde am 3. November 2021 von der Crew auf der Ocean Viking in der libyschen Such- und Rettungszone aus einem überfüllten Holzboot gerettet, in dem sich 105 Menschen befanden. Um der Gewalt zu entkommen, verliess sie vor zwei Jahren allein ihr Land und liess ihre Kinder gegen ihren Willen zurück. Sie erzählte unserem Team an Bord ihre Geschichte. 

 

„Ich wurde mit 16 Jahren mit einem älteren Mann verheiratet. Ich lernte ihn am Tag unserer Hochzeit kennen. Wir hatten drei gemeinsame Kinder, aber er starb vor sechs Jahren.“

„Zwei Jahre später lernte ich einen anderen Mann kennen, wir waren verliebt, aber meine Familie und die meines verstorbenen Mannes erlaubten uns nicht, zu heiraten. Sie bedrohten uns. Sie schlugen mich. Schliesslich sagten sie mir, dass sie mich umbringen würden, wenn ich mich weiter mit ihm treffe“, erklärte Faduma. Sie sagte, sie fühle sich gefangen in einem Leben, das sie sich nicht ausgesucht habe, unsicher in ihrem eigenen Haus. Sie beschloss zu gehen, um Sicherheit zu finden. „Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Ich musste meine Kinder zurücklassen, weil meine Familie sie niemals mit mir hätte gehen lassen, und ich wusste, dass die Reise, die ich unternehmen wollte, zu gefährlich für sie wäre. Ich wollte Sicherheit und Stabilität finden und sie dann direkt zu mir in Sicherheit fliegen lassen“.

Faduma reiste zunächst nach Äthiopien, von dort in den Südsudan, weiter in den Sudan und in den Tschad und landete schliesslich in Libyen. Mehr als ein Jahr lang war sie unterwegs, wobei ihr an jedem Kontrollpunkt versprochen wurde, dass sie nach Zahlung eines bestimmten Geldbetrags einen besseren Ort finden würde. Sie fand unterwegs kleine Jobs, um genug Geld für die nächste Etappe zu verdienen, erinnerte sich aber daran, dass sie sexuell missbraucht wurde, wenn das Geld nicht reichte. Als Faduma in Libyen ankam, hoffte sie, dass ihre Reise zu Ende gehen würde. „Mir wurde gesagt, dass ich dort leicht einen Job finden könnte, sogar als Frau, aber stattdessen fand ich Gewalt“, sagte sie. Faduma erzählte unserem Team, dass sie von einer Miliz mitten auf der Strasse in Tripolis entführt und in ein Internierungslager gebracht wurde.

„Männer wollten mich missbrauchen, ich habe mich gewehrt. Sie haben mich geschlagen und bekommen, was sie wollten“. 

Eines Nachts gelang es ihr, mit einer Gruppe von Menschen aus dem Gefängnis zu fliehen und im Haus eines Freundes Unterschlupf zu finden. Sie trugen genug Geld zusammen, um einen Schmuggler zu bezahlen, der ihnen wiederum versprach, dass sie nach dieser Reise einen besseren Ort finden würden. Faduma erklärte, dass der Schmuggler eines Nachts dorthin kam, wo sie sich versteckten, um sie an den Strand zu bringen: „Es waren so viele Leute da, dass ein kleines Boot wie das, das auf uns wartete, nicht ausreichte. Einige Leute, darunter auch ich, mussten in das Boot steigen. Die meiste Zeit an Bord mussten wir zusammengekauert verbringen, einer über dem anderen. Bei den hohen Wellen und ohne frische Lust wurde mir schlecht. Es war furchtbar.“

Faduma erinnert sich daran, dass sie ausserhalb des Holzbootes Stimmen gehört hatte. Sie konnte nicht verstehen, was die Leute sagten, aber sie wusste, dass etwas passierte. Sie wusste nicht, was geschah, bis sie schliesslich aus dem Rumpf des Bootes herauskam und sah, wie unser Team die Menschen auf unser RHIB [1] evakuierte. „Mir wurde klar, dass ihr uns gerettet habt, als ich andere Menschen mit Rettungswesten um mich herum sah“, erinnert sich Faduma.

Faduma war eine der 314 Menschen, die im November 2021 von der Ocean Viking gerettet wurden. Sie ging am 12. November in Augusta, Sizilien, von Bord, 10 Tage nach ihrer Rettung und nachdem sie Stürme mit 4 Meter hohen Wellen und sintflutartigen Regenfällen überstanden hatte.

„Ich hoffe, dass ich jetzt Sicherheit und Freiheit finde. Ich möchte, dass meine Kinder zu mir kommen, ohne die Schrecken zu erleben, die ich in den letzten zwei Jahren durchgemacht habe.“ 

*Der Name wurde geändert, um die Identität der Überlebenden zu schützen.

[1] Schlauchboot mit festem Rumpf

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