„Ich habe bald gemerkt, dass ich aus einer Hölle geflohen bin, nur um eine andere zu finden.“

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Maha* ist 48 Jahre alt und stammt aus Damaskus, Syrien. Sie wurde zusammen mit ihrem achtjährigen Sohn am 4. November aus einem überfüllten Holzboot gerettet. Claire, Kommunikationsverantwortliche von SOS MEDITERRANEE auf der Ocean Viking, schreibt über die Begegnung mit Maha.

 

Mein Mann ist letztes Jahr bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen. Ich habe ein Foto von ihm, er ist voller Blut. Hier. Sehen Sie. Mein Haus wurde zerstört. Mein jüngster Sohn wurde ebenfalls verletzt. Andere Verwandte wurden willkürlich ins Gefängnis gebracht, und ich habe seitdem nichts mehr von ihnen gehört. Meine beiden älteren Kinder haben mich überzeugt, das Land zu verlassen. Es ist zu gefährlich in meinem Land“, erzählte mir Maha.

Maha und ihr achtjähriger Sohn packten ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und flogen nach Libyen. Wir brauchten kein Visum, um nach Libyen zu kommen, es war der einfachste Weg, Syrien zu verlassen. Über den Landweg ist es zu gefährlich. Niemand spricht mehr über die Situation in Syrien, aber Bombenanschläge, Morde und das Verschwinden von Personen sind an der Tagesordnung.“

Maha erklärte, dass die Behörden ihnen nach ihrer Ankunft in Libyen die Pässe abnahmen. „Ich habe bald gemerkt, dass ich aus einer Hölle geflohen bin, nur um eine andere zu finden.“

„Der einzige Weg von Libyen weg war das Meer. Also haben wir es versucht. Dreimal. Zweimal wurden wir von den Libyern [libysche Küstenwache] abgefangen. Als wir das erste Mal abgefangen wurden, sagten sie uns, dass wir in Sicherheit seien. Dass sie da seien, um uns zu retten und dass sie uns nicht ins Gefängnis schicken würden. Das war eine Lüge. Als wir zum Hafen zurückgebracht wurden, waren dort einige Organisationen. Sie machten Fotos von uns und dann wurden wir einfach ins Gefängnis [Internierungslager] gebracht. Einfach so. Ohne jede Hilfe.“ Nachdem sie zwei Wochen in einem offiziellen Internierungslager in Tripolis verbracht hatte, sagte Maha, sei es ihr gelungen, für ihre Freilassung und die ihres Sohnes zu bezahlen. Danach sei ihr aber keine andere Möglichkeit geblieben, als die Flucht übers Mittelmeer ein weiteres Mal zu riskieren. Sie versuchten es ein zweites Mal. „Sobald sie wieder auftauchten, brach ich zusammen. Sie kamen auf uns zu und schrien uns an. Wir konnten uns nicht wehren. Sie hatten Gewehre und bedrohten uns.“ Maha erklärte, dass sie erneut in den Hafen von Tripolis zurückgebracht und nach Nationalität und Alter sortiert wurden, bevor sie mit Bussen in verschiedene Internierungslager zurückgeschickt wurden.

Maha erzählte mir, dass sie sich gefangen fühlte und nicht wusste, was sie tun sollte. In Libyen gab es weder Perspektiven noch Sicherheit für sie und ihren Sohn, aber sie befürchtete, dass sie wieder gewaltsam dorthin zurückgeschickt werden würde, wenn sie erneut versuchten, über das Meer zu fliehen. Maha gestand, dass sie emotional erschöpft war und mit Angst lebte. „Ich beschloss, es noch einmal zu versuchen, denn ich konnte es nicht ertragen, meinen Sohn in einem Leben ohne Hoffnung zu sehen. Ich nahm so viel Mut zusammen, wie ich konnte, und wir fuhren erneut los. Es war dunkel, die Wellen waren hoch, ich war seekrank. Doch dieses Mal erschienen Sie auf der Bildfläche, und vom ersten Augenblick an wusste ich, dass Sie nicht die Libyer waren. Sie sprachen mit uns mit Respekt und Ruhe. Sie haben uns auf eine sichere Art und Weise gerettet. Ich bin so dankbar.“

 

 

Nachdem sie sicher auf unser Schnellboot gebracht worden waren, sagte Mahas Sohn dem Rettungsteam immer wieder „Danke“. Maha und ihr Sohn gingen am 11. November in Augusta, Sizilien, von Bord. Während sie in Sturm, Regen und hohen Wellen mehrere Tage warten mussten, bevor die Behörden einen sicheren Hafen zuwiesen, hatten sie immer eine freundliche Geste für das Team. Sie fragten mit Zeichen, wie es uns ging und ob wir nicht müde waren. Die Resilienz von Maha und ihrem Sohn beeindruckte mich. „Endlich kann ich wieder durchatmen. Das konnte ich so lange nicht mehr. Ich bin erleichtert, dass ich bald keine Bombengeräusche mehr hören werde und nicht mehr Gefahr laufe, ins Gefängnis gesteckt zu werden.“

 

*Der Name wurde geändert, um die Identität der Überlebenden zu schützen.

Die Aussagen wurden am 8. November gesammelt und von dem kulturellen Vermittler an Bord übersetzt.

 

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