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Vor genau 70 Jahren wurde der Grundstein für eine solidarische Zusammenarbeit in Europa gelegt. Damals betonte Robert Schuman, der französische Aussenminister: „Europa (..) wird durch konkrete Errungenschaften entstehen, in erster Linie durch die Schaffung von De-facto-Solidarität.“ Am heutigen Europatag möchten wir als europäische Seenotrettungsorganisation – gegründet und getragen von der europäischen Zivilgesellschaft – an die Staaten von Europa appellieren: Seid solidarisch, auch heute! Dieser Appel geht auch an die Schweiz, denn auch sie trägt eine Verantwortung. Sie ist Teil des Schengen-Raums und finanziert Frontex mit.

Solidarität muss den Küstenstaaten entgegengebracht werden, deren Verpflichtung es ist, über das Mittelmeer Flüchtende in Sicherheit zu bringen. Diese Menschen fliehen auch während der Covid-19-Pandemie mit seeuntauglichen Booten aus den unmenschlichen Internierungslagern in Libyen und riskieren ihr Leben auf hoher See.

Im zentralen Mittelmeer sind aktuell 162 aus Seenot gerettete Kinder, Frauen und Männer an Bord privater Schiffe gestrandet, weil ihnen kein sicherer Ort zugewiesen wird, an dem sie an Land gehen können. Die Bedingungen an Bord sind unzumutbar und die psychische Verfassung der durch ihre Fluchtgeschichte belasteten Menschen verschlechtert sich in solcher Ungewissheit dramatisch. Zuvor mussten insgesamt 180 Gerettete der zivilen Schiffe Alan Kurdi und Aita Mari bis zu zwölf Tage an Bord der beiden überfüllten Schiffe ausharren, weil kein europäischer Staat sie an einem sicheren Ort von Bord gehen lassen wollte. Über die Osterwoche wurden Menschen in Seenot widerrechtlich in internationalen Gewässern abgefangen und nach Libyen zurückgebracht. Besonders besorgniserregend war hierbei, dass gemäss Medienberichten ein privates Schiff von einem EU- Mitgliedsland beauftragt wurde, die Rückführung in das Bürgerkriegsland durchzuführen – ein eklatanter Verstoss gegen geltendes Völkerrecht.

Die Folgen der unterlassenen Hilfeleistung auf See sind oft tödlich. Weil die Staaten ihrer Pflicht zur Seenotrettung nicht nachkommen, sind seit Anfang des Jahres im zentralen Mittelmeer mindestens 146 Menschen auf der Flucht ertrunken.  Dieser rechtlich und humanitär für die Schweiz und Europa unwürdige Zustand ist für uns heute Anlass, mit Nachdruck an das Prinzip der Solidarität zu erinnern. Vor 70 Jahren war dieses die Voraussetzung für die auf den universellen Menschenrechten gegründete Europäische Union. Daher fordern wir:

  • Ein Such- und Rettungsprogramm auf dem zentralen Mittelmeer muss durch die europäischen Staaten organisiert und auf eine verlässliche und transparente Weise umgesetzt werden. Die Schweiz könnte als Teil des Schengen-Raums Solidarität mit anderen Staaten zeigen und sich an einem solchen Programm beteiligen.
  • Ein verlässliches System zur Ausschiffung Geretteter an einem sicheren Ort muss sichergestellt werden. An diesem muss die Versorgung und eine menschliche Behandlung der Überlebenden garantiert sein.
  • Die finanzielle Unterstützung der libyschen Küstenwache mit Schweizer und europäischen Steuergeldern muss beendet werden, welche die illegale Rückführung von aus Seenot Geretteten nach Libyen zum Ziel haben.
  • Die Kriminalisierung von zivilen Seenotrettungsorganisationen muss beendet werden. Sie sind von der Zivilgesellschaft getragen und versuchen, die tragischen Folgen des Versagens der Staaten durch ihren Rettungseinsatz zu lindern.

Um die verheerenden Folgen des seit 2014 anhaltenden Rückzugs europäischer Such- und Rettungskapazitäten abzumildern, haben heute vor fünf Jahren deutsche und französische Vertreter*innen der Zivilgesellschaft SOS MEDITERRANEE in Berlin gegründet. Seit Beginn der Rettungseinsätze im März 2016 konnten wir 31.618 Kinder, Frauen und Männer retten.

Solange Staaten es unterlassen, Menschen in Seenot auf dem Mittelmeer in Sicherheit zu bringen, muss die Zivilgesellschaft alles daran setzen, diese Menschen zu retten und die Schweiz und die europäischen Staaten in die Verantwortung zu nehmen: Mit unserer Solidaritätskampagne #AlleRetten möchten wir alle bitten, ihren humanitären Grundsätzen und ihrer Solidarität mit den Retter*innen an Land und auch auf See Ausdruck zu verleihen. Mit der europaweiten Online-Aktion fordern wir die Schweiz und die europäischen Staaten auf, dem Retten von Menschenleben an Land und auf dem Meer den gleichen Stellenwert zu geben!

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