[MEDIENMITTEILUNG] «Lieber im Meer ertinken als in Libyen zu leben» 104 Gerettete an Bord der Ocean Viking brauchen einen sicheren Hafen

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Am 18. Oktober, nur zwei Tage nachdem das Rettungsschiff Ocean Viking in Italien 176 gerettete Menschen an Land gebracht hat, haben die Hilfsorganisationen SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen (MSF) erneut 104 Personen aus einem Schlauchboot gerettet. Dieses war 50 Seemeilen vor der libyschen Küste in Seenot geraten. Unter den geretteten Menschen befinden sich zwei schwangere Frauen und 41 Minderjährige, 76% von ihnen sind unbegleitet. Das Rettungsteam von SOS MEDITERRANNEE hatte das Boot mit einem Fernglas gesichtet und umgehend die Evakuierung der Menschen von dem seeuntüchtigen Schlauchboot eingeleitet.

In den letzten zwei Tagen haben die Teams der Ocean Viking den Augenzeugenberichten der Überlebenden zugehört. Diese sind erschreckende Zeugnisse von Folter und Misshandlungen von Migrant*innen und Flüchtenden in Libyen. Ein 20-jähriger Mann von der Elfenbeinküste erzählte dem Team von SOS MEDITERRANEE, dass er in dem libyschen Privatgefängnis Bani Walid mitansehen musste, wie Wächter einen seiner Freunde mit Benzin überbegossen und ihn anschliessend anzündeten. Sein Freund sei zwei Tage später, nachdem er keine medizinische Versorgung erhalten hatte, an den Folgen seiner Verletzungen gestorben.

Ein 15-jähriges Mädchen aus der Elfenbeinküste versuchte laut eigenen Angaben erstmals im August dieses Jahres gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren zwei jüngeren Geschwistern über das Mittelmeer zu flüchten. Vier Tage lang seien sie auf See gewesen und hätten dort zwei Kleinkinder und zwei Frauen sterben sehen, bevor sie von der libyschen Küstenwache abgefangen und nach Libyen in ein Internierungslager zurückgebracht worden seien. „Da drin tun sie mit den Frauen, was sie wollen», erzählte das Mädchen den Teams der Ocean Viking.

Ein 23-jähriger Überlebender, ebenfalls aus der Elfenbeinküste, sagte: „Lieber im Meer ertrinken, als in Libyen zu leben.» So unterschiedlich die Geschichten der 104 geretteten Menschen an Bord der Ocean Viking sein mögen, jede einzelne zeugt von der katastrophalen Lage für Migrant*innen und Flüchtende in Libyen.

Die Ocean Viking hat unterdessen bei den zuständigen Seefahrtbehörden die Zuweisung eines sicheren Hafens für die Geretteten angefragt. Bereits am Freitag, den 18. Oktober, hatte die libysche Rettungsleitstelle (LY-JRCC) der Ocean Viking Tripolis als Hafen zugewiesen, was SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen mit Verweis auf internationales Recht abgelehnt haben. Nach dem Völkerrecht kann Libyen nicht als sicherer Ort für schutzsuchende Menschen angesehen werden.

Gestern Abend hat die Ocean Viking auf der Suche nach einem sicheren Hafen deshalb die libysche Such- und Rettungszone verlassen und die italienische und maltesische Rettungsleitstelle um Unterstützung bei der schnellstmöglichen Zuweisung eines sicheren Ortes gebeten, an dem die 104 Menschen an Land gehen können.

«Wir hoffen, dass die Seefahrtsbehörden mit Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten eine rechtskonforme Lösung für eine schnelle Anlandung der 104 Geretteten finden werden», sagt Louise Guillaumat, stellvertretende Einsatzleiterin von SOS MEDITERRANEE.

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