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Konsequenzen des "Piantedosi-Dekrets"

6
December
2023

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Konsequenzen des "Piantedosi-Dekrets"

6
December
2023

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Am 2. Januar 2023 wurde in Italien ein Gesetzesdekret eingeführt, das auch als "Piantedosi-Dekret" bekannt ist. Es untergräbt die Anwendung des historischen und umfassenden maritimen und internationalen Rechtsrahmens für die Suche und Rettung auf See. Seitdem müssen zivile Rettungsschiffe unverzüglich einen zugewiesenen Place of Safety, einen sicheren Ort, ansteuern und werden regelmäßig festgesetzt und mit Geldstrafen belegt, nachdem sie im zentralen Mittelmeer Menschen in Not gerettet haben. In der Zwischenzeit haben die italienischen Behörden damit begonnen, weit entfernte Häfen zur Ausschiffung der geretteten Personen zuzuweisen, wodurch NGO-Schiffe für längere Zeit an der Suche und Rettung von Booten in Seenot gehindert werden. Die Folgen der Anwendung des Gesetzesdekrets zur Suche und Rettung im zentralen Mittelmeer sind gravierend.

Am 15. November ordneten die italienischen Behörden eine 20-tägige Festsetzung des zivilen Rettungsschiffs Ocean Viking an und verhängten gegen den Reeder eine Geldstrafe in Höhe von 3.300 €. Damit wurde ein Akt der humanitären Hilfe bestraft, nachdem die Crew an Bord 128 Menschen aus drei Booten in Not gerettet hatte. Seit Anfang des Jahres wurden zivile Rettungsschiffe 14 Mal festgesetzt. Gleichzeitig sind SOS MEDITERRANEE und andere zivile SAR-Organisationen seit Anfang 2023 von einer Strategieänderung der italienischen Seenotrettungsleitstelle (MRCC) bei der Zuweisung von Häfen für die Ausschiffung von Überlebenden, die aus dem Meer gerettet wurden, betroffen. Im Laufe des Jahres wurden der Ocean Viking nach jeder Rettung oder Reihe von Rettungsaktionen systematisch Häfen zugewiesen, die weit entfernt von dem Gebiet des zentralen Mittelmeers liegen, in dem zivile Rettungsschiffe patrouillieren, um die von den europäischen Staaten hinterlassene Leere zu füllen. Konkret wurde der Ocean Viking im Jahr 2023 kein sicherer Ort zugewiesen, an dem der Rettungseinsatz so schnell wie möglich abgeschlossen hätte werden können, wie z. B. Pozzallo (Sizilien) als Referenzhafen. Stattdessen war die Ocean Viking gezwungen, insgesamt fast zwei Monate länger hin und zurück zu fahren, um Überlebende, die aus Seenot gerettet wurden, an weit entfernten Häfen an Land zu bringen. 

Eine solche Fahrt zu weit entfernten Häfen ist für die geretteten Menschen unzuträglich und verschlechtert ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden. Auf solchen Routen sind sie leichter widrigen Wetterbedingungen und längeren Wartezeiten ausgesetzt, bevor sie eine umfassende medizinische und psychologische Betreuung erhalten. Zur Veranschaulichung: Im Januar 2023 wurde Ancona als sicherer Ort ausgewiesen, und die Überlebenden sowie die Besatzung an Bord der Ocean Viking waren einem Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 75 km/h und bis zu 6 Meter hohen Wellen ausgesetzt. Das geschah, obwohl die Ocean Viking die italienischen Seebehörden gewarnt und um die Zuweisung eines näheren sicheren Ortes gebeten hatte. Unser Schiff war in der Lage, diese kritischen Wetterbedingungen sicher zu überstehen, aber die physische und psychische Gesundheit der Überlebenden wurde sehr stark strapaziert. Über 95 % der Überlebenden wurden trotz der medizinischen Behandlung durch unser medizinisches Team seekrank. Die Zuweisung von sicheren Orten, die so weit von den Orten entfernt sind, an denen die Überlebenden gerettet werden, führt auch zu einem drastischen Anstieg des Treibstoffverbrauchs. Berechnungen zufolge hat die Ocean Viking in diesem Jahr über 21.000 zusätzliche Kilometer zurückgelegt, um 13 weit entfernte Häfen anzulaufen, anstatt den nächstmöglichen Hafen in Sizilien anzulaufen.

Diese Entfernung würde bedeuten, dass die Ocean Viking um die halbe Welt fährt. Diese unnötigen zusätzlichen Kilometer kosteten mehr als 500.000 Euro an hinzukommenden Treibstoffverbrauch. SOS MEDITERRANEE verurteilt nachdrücklich die Anwendung des Gesetzesdekrets Nr. 1 vom 2. Januar 2023 durch die italienischen Behörden. Im Jahr 2023 wurde dem zentralen Mittelmeer durch Festsetzungen und der Zuweisung entfernter Häfen wiederholt lebenswichtige Rettungskapazitäten entzogen - im tödlichsten Jahr, das seit 2017 in diesem Meeresabschnitt verzeichnet wurde. Allein in den letzten Wochen gab es zahlreiche Berichte über Schiffsunglücke und Todesfälle. Anstatt angemessen auf die humanitären Bedürfnisse an seiner Südgrenze zu reagieren, reagiert Europa mit der Hinderung derjenigen, die versuchen, Leben zu retten, und damit einer unbestreitbaren rechtlichen Verpflichtung nach internationalem Recht nachkommen.

Credits Titelbild: Giannis Skenderoglou / SOSMEDITERRANEE

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