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„Ich bin Alisha, 32 Jahre alt, und eine der drei Kommunikationskoordinatoren an Bord. Da ich mit einer Stewardess als Mutter aufgewachsen bin, habe ich mich schon immer für andere Menschen und Orte interessiert und mich ein wenig vom Reisefieber anstecken lassen. Ich habe angefangen, Journalismus zu studieren, um über die Menschen, die ich unterwegs getroffen habe, zu berichten und soziale Ungerechtigkeiten anzuprangern, deren Zeuge ich wurde oder die mich ärgerten. Bald wurde mir klar, dass die Humanitäre Arbeit eine wesentlich praktischere Hilfe zu sein schien, und ich begann ein Studium im Bereich Sicherheit und Entwicklung.

Während eines ersten Praktikums bei Ärzte der Welt in den argentinischen Armenvierteln begann ich, verschiedene soziale Probleme zu dokumentieren, die später in internationalen Medien veröffentlicht wurden. Ich veröffentlichte Artikel, Videos und Fotos als Freelancer und nahm mir die Zeit, ehrenamtlich für NGOs zu arbeiten, zum Beispiel in Palästina und Madagaskar.

2015 machten mich die Bilder von Menschen, die zu Fuss oder mit dem Boot durch die Türkei flüchteten, betroffen, und ich erkannte wie viele andere Europäer, dass unser Kontinent seine Verantwortung nicht wahrnimmt. Später wurde ich für Al Jazeera eingestellt, wo ich sowohl im Büro als auch vor Ort über verschiedene Themen berichtete. Die Möglichkeit, hinter die Kulissen eines großen Medienunternehmens zu blicken, war bereichernd, aber ich war auch frustriert über den fehlenden Kontakt zu den Protagonisten der Geschichten, über die wir berichteten, und über eine gewisse Sensationslust, die auf die Online-News zurückzuführen war. Da war ich wieder, mit dem Wunsch, im humanitären Sektor zu arbeiten. Ich arbeitete dann bei der NGO ACTED, wo ich die Pressearbeit für Projekte im Irak und in der Demokratischen Republik Kongo organisierte und audiovisuelles Material erstellte.

Nachdem ich Zeugenaussagen von Menschen gesammelt hatte, die gewaltsam vertrieben worden waren, wusste ich, dass ich in diesem Arbeitsbereich arbeiten wollte. Ich habe die Arbeit von SOS MEDITERRANEE immer verfolgt, da mir ihre Mission immer sehr wichtig erschien. SOS MEDITERRANEE ist die Antwort auf eine von Menschen verursachte und unvermeidliche Krise, für die sich alle europäischen Bürger verantwortlich fühlen oder zumindest für ihre Regierungen schämen sollten.

Meine Tätigkeit bei SOS MEDITERRANEE ist eine ideale Mischung aus humanitärer Arbeit und Journalismus, und ich geniesse es sehr, die Welt der Seefahrt zu entdecken, in der ich noch viel zu lernen habe. Die Möglichkeit, Journalisten bei der Berichterstattung über unsere Einsätze zu unterstützen, Bildmaterial zu sammeln, mit Überlebenden zu sprechen, um mehr über ihre Geschichten zu erfahren, und auf einem RHIB zu sein, macht diese Arbeit zu einer Aufgabe, die alle meine Erwartungen übertrifft, sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht.

Nach der ersten Patrouille, bei der ich an einem Rettungsmarathon teilgenommen habe, ist mir klar geworden, dass ich in ein äußerst kompetentes Team eingetreten bin und dass der Hintergrund eines jeden von uns eine Stärke ist, um die Betroffenen zu schützen und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu geben, obwohl viele andere Menschen und Institutionen sie im Stich gelassen haben. Es war extrem anstrengend, mehr als 15 Rettungen hintereinander durchzuführen, aber die Erleichterung, 623 Menschen lebend geborgen zu haben, hat sich sofort ausgezahlt. Mir ist klar, dass es eine intensive Reise sein wird, aber ich fühle mich privilegiert, eine so erfüllende Arbeit zu haben.

So sehr ich diese Aufgabe auch liebe, so sehr hoffe ich, dass die Such- und Rettungsorganisationen eines Tages überflüssig werden und dass die Regierungen die Verantwortung übernehmen, welche die Zivilgesellschaft schon viel zu lange übernimmt.“

 

Credits: Stefano Belacchi / SOS MEDITERRANEE

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