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Marylène, die bereits zum dritten Mal als Hebamme auf der Ocean Viking arbeitet, ist für das Frauenhaus an Bord, für Geburtshilfe und frauenmedizinische Angelegenheiten zuständig. „Das Frauenhaus ist eine Art Schutzraum“, erklärt sie. Frauen, die aus dem zentralen Mittelmeerraum gerettet werden, fliehen oft vor häuslicher Gewalt, vor Zwangsehen oder um ihre Töchter vor der Beschneidung zu schützen, um nur einige der Gründe zu nennen. Die 29-jährige Marylène aus Frankreich bringt mit ihrer warmherzigen Persönlichkeit etwas Positives in diesen geschützten Raum, der von Männern nicht betreten werden darf, damit sich die Frauen sicher fühlen können.

„Ich versuche, Räume für Frauen zu schaffen, in denen sie sich gegenseitig helfen und zusammen tanzen können!“ Ein Ort der Katharsis, ein Ort des Schutzes. Marylène kümmert sich auch um die Kinder. „Sie kommen oft apathisch und mit emotionslosen Gesichtsausdrücken bei uns an. Ich versuche, das Gefühl der unbeschwerten Kindheit wiederherzustellen, damit sie für einen Moment die naive, unschuldige Seite des Kindseins wiederentdecken können.“

An Land arbeitet Marylène in Marseille in der Notaufnahme eines Krankenhauses, ausserdem ist sie Mitglied der Vereinigung „Gynécologie sans Frontières“, wo sie in Gesprächsgruppen mit Neuankömmlingen in Asylbewerberheimen Präventionsarbeit leistet. „Wir sprechen über Sexualität, Mutterschaft und Elternschaft, aber wir sprechen sehr wenig über ihre Migrationsreise. Ich hatte das Gefühl, dass ein Teil zum Verständnis ihrer Reise fehlte. Da ich unmittelbar nach der Rettung an Bord gewesen bin, kann ich an Land viel sorgfältiger mit ihnen umgehen.“

Sie beschreibt die Erlebnisse, die einige der Frauen auf ihrer Reise erleiden, als „extrem brutal“. Während ihres zweiten Einsatzes auf der Ocean Viking sah Marylène täglich eine Überlebende wegen Verbrennungen am Körper. „Nach drei Tagen erzählte sie mir dann endlich, dass sie am Tag vor dem Auslaufen ein totgeborenes Kind zur Welt gebracht hatte, das durch eine Vergewaltigung gezeugt worden war. Trotz der Gewalt, die sie erlebt hat, verbrachte sie viel Zeit an Bord, um sich um das Kind einer anderen Frau zu kümmern“, erinnert Marylène sich. „Es war sehr beeindruckend, sie in ihrer Trauer zu sehen und gleichzeitig so sanft und fürsorglich im Umgang mit einem fremden Kind“.

Trotz all der Strapazen, die sie durchgemacht haben, verfügen diese Frauen über eine unglaubliche Stärke und Kraft.

Zu Beginn jeder Mission hält Marylène einen Vortrag über sexuelle Gewalt, um das Bewusstsein der gesamten Mannschaft zu sensibilisieren. Sie betont, wie wichtig es ist, eine Hebamme im Team zu haben, auch wenn weibliche Überlebende oft in der Minderheit sind. „Ich habe das Gefühl, dass sie manchmal unsichtbar sind, wenn wir über Migration im Allgemeinen sprechen. Eine Hebamme an Bord zu haben bedeutet, dass man ihre Existenz anerkennt.“.

[Wichtiger Hinweis: Sexuelle Gewalt richtet sich nicht nur gegen Frauen und Mädchen, sondern auch gegen Männer und Jungen].

Credits: Camille Martin Juan / SOS MEDITERRANEE

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