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Der Bedarf an Rettungen übersteigt die Kapazitäten im Süden Europas   

Nur zwei Wochen nach der bisher größten Rettungsaktion der Ocean Viking wurde der Mannschaft des zivilen Rettungsschiffes erneut vor Augen geführt, dass es im zentralen Mittelmeer an Seenotrettungskapazitäten mangelt. Am Donnerstag und Freitag rettete die von SOS MEDITERRANEE gecharterte und in Partnerschaft mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) betriebene Ocean Viking insgesamt 439 Menschen aus sieben seeuntüchtigen Booten, die im zentralen Mittelmeer in Seenot geraten waren. Zahlreiche weitere Boote in Seenot wurden stabilisiert, bis Hilfe eintraf. 

Die erste Rettungsaktion fand am Donnerstagnachmittag in den internationalen Gewässern vor Libyen statt. Von der Brücke der Ocean Viking aus wurden fast gleichzeitig zwei in Seenot geratene Boote gesichtet. Da die libyschen und italienischen Seenotrettungsleitstellen (RCCs) nicht reagierten, musste das Rettungsteam mit der Evakuierung der Überlebenden beginnen, wobei die Leitstellen ständig über jeden Schritt informiert wurden. Am selben Nachmittag wurde die Ocean Viking von der Seabird, einem Flugzeug der Seenotrettungsorganisation Sea Watch, auf ein drittes Boot in Seenot aufmerksam gemacht.  Nach vielen Anfragen zur Koordinierung der Rettung erhielt die Ocean Viking von der libyschen Küstenwache sowie den italienischen Behörden die Erlaubnis zur Rettung des Bootes.

Wir erhielten die Anweisung, die Überlebenden im Hafen von Genua auszuschiffen. Als wir mit dem ersten Licht am Freitagmorgen nach Norden aufbrachen, wurde uns die katastrophale Lage der Menschen deutlich. Vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag war die Ocean Viking ununterbrochen im Einsatz“, erklärt Albert, SOS MEDITERRANEE-Such- und Rettungskoordinator an Bord. „In einigen Fällen haben wir Überlebende direkt auf die Schiffe der italienischen Küstenwache evakuiert, in anderen Fällen hat das SOS MEDITERRANEE-Rettungsteam Notfälle stabilisiert und mit Rettungswesten, Wasser und Nahrung versorgt, bevor die Überlebenden direkt von der italienischen Küstenwache aufgenommen wurden. Einmal konnte man von der Ocean Viking aus gleichzeitig fünf Boote in Seenot sehen, von denen einige zu sinken drohten“, erinnert sich Albert.  

Während immer mehr instabile Boote auftauchten, waren die Schiffe der italienischen Küstenwache bereits gänzlich mit Geretteten ausgelastet und mussten in den Hafen zurückkehren „Die letzten Tage haben einmal mehr gezeigt, wie unzureichend die humanitäre Hilfe im zentralen Mittelmeer ist“, sagt Caroline Abu Sa’da, Direktor von SOS MEDITERRANEE Schweiz. „Die Ocean Viking hat zwar in Zusammenarbeit und in ständiger Abstimmung mit den italienischen Behörden so vielen Booten wie möglich geholfen, aber der Bedarf überstieg bei weitem die verfügbaren Mittel, um das Massensterben im zentralen Mittelmeer zu stoppen. Allein in diesem Jahr sind mindestens 2.021 Menschen gestorben oder vermisst. 2023 ist das tödlichste Jahr im Mittelmeer seit 2017, und wir fordern erneut die Europäische Union sowie die assoziierten Staaten auf, endlich der Rettung von Menschenleben Priorität einzuräumen. Zusätzliche Rettungskapazitäten sind dringend nötig.“  

Birgitte Bischoff Ebbesen, Direktorin für Europa und Zentralasien bei IFRC: „Es ist äußerst beunruhigend, dass für viele Menschen die gefährliche Reise über das Mittelmeer die beste Option ist. Wir müssen dafür sorgen, dass es für die Menschen sicherere Wege gibt, die es ihnen ermöglichen, der Gewalt zu entkommen und ein besseres Leben zu erreichen. Wir dürfen nie vergessen, dass der Tod von Migranten auf dem Meer vermeidbar ist.“  

Die italienischen Behörden haben die Ocean Viking angewiesen, zunächst nach Vibo Valentia in der süditalienischen Region Kalabrien zu fahren, um einen Teil der Überlebenden an Land zu bringen. Danach muss sie sich auf den Weg zum weit im Norden gelegenen Genua machen, das als „sicherer Hafen“ zur Ausschiffung der verbleibenden Geretteten zugewiesen wurde. 

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