Nach welchen Kriterien wird beurteilt, ob ein Boot in Seenot ist und welche Rettungsmassnahmen müssen ergriffen werden?
Wie wird beurteilt, ob ein Boot in Seenot ist?
Heimatland
Rettungsdatum
Alter


Wenn ein Boot im zentralen Mittelmeer gesichtet wird, müssen die Teams von SOS MEDITERRANEE schnell beurteilen, ob die angetroffene Situation als Seenotfall einzustufen ist oder nicht. Diese Situationsanalyse beruht auf diversen Kriterien, welche durch das internationale Seerecht festgelegt sind. Der Bootstyp ist dabei ein sehr wichtiger Faktor, den es zu berücksichtigen gilt. Ausserdem gibt es noch weitere Beurteilungskriterien die berücksichtigt werden müssen, um geeignete Rettungsmassnahmen ergreifen zu können.
Welche Bootstypen treffen wir auf See an?
Fast alle Schiffstypen, die wir antreffen, sind nicht für eine sichere Meeresüberquerung geeignet.
- kleine Boote aus Metall oder Fiberglas
- grosse hölzerne Schiffe mit Doppeldecks, in denen bis zu 800 Personen zusammengepfercht sitzen können
- notdürftig reparierte Fischerboote
- Schlauchboote, die aus Brettern zusammengebaut werden
- Segelboote
Schlauchboote zum Beispiel werden aus qualitativ minderwertigen Materialien hergestellt. Sie verlieren unter dem Gewicht der Passagiere schnell Luft oder bekommen Risse. Holzboote, welche oft überladen sind, kentern äusserst leicht. Metallboote wiederum können sehr schnell lecklaufen und in Minutenschnelle untergehen.
Eine Gefahrenanalyse unter Zeitdruck
Bei der Beurteilung eines Seenotfalles handelt es sich um eine Situation, in der mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass ein Schiff oder ein anderes Beförderungsmittel, inklusive Flugzeuge aber auch einzelne Personen, die im Wasser treiben, von einer ernsthaften und unmittelbaren Gefahr bedroht sind und sofortiger Hilfe benötigen. Gemäss dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS-Übereinkommen) und dem Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR-Übereinkommen) müssen die Seetüchtigkeit, die Sicherheit an Bord und die Fähigkeit, einen sicheren Hafen erreichen zu können, beurteilt werden.

"Seenot" wird wird anhand folgender Kriterien definiert:
- Seetüchtigkeit: Wahrscheinlichkeit, dass das Schiff sein Bestimmungsziel nicht erreichen kann
- Verfügbarkeit notwendiger Vorräte wie Treibstoff, Wasser und Nahrung
- Vorhandensein einer ausgebildeten Mannschaft unter der Führung eines /einer Kaptitän*in
- Ausstattung mit Sicherheits-, Navigations- und Kommunikationsausrüstung sowie deren Funktionstüchtigkeit
- Anwesenheit von Personen, die dringend medizinische Versorgung benötigen
- Anwesenheit von verstorbenen Personen an Bord
- Anwesenheit von schwangeren Frauen oder Kindern an Bord
- Wetterbedingungen und Seegang
Die Mehrheit der von der Ocean Viking im zentralen Mittelmeer angetroffenen Boote erfüllen keine dieser Sicherheitskriterien und erfordern daher ein schnelles und gezieltes Eingreifen.

Das Mittelmeer -eine lebensgefährliches Gebiet für Boote in Seenot
Das zentrale Mittelmeer stellt ein komplexes operatives Einsatzgebiet für die Durchführung von Rettungsmissionen dar. Die Wetterbedingungen können sich innerhalb kürzester Zeit von ruhigem zu extremen Wetter ändern. Darüber hinaus befinden sich die seeuntauglichen Boote oft weit von der Küste entfernten, ohne dass sich andere Schiffe in der Nähe befinden. Die überwiegende Mehrheit der Schiffe, die die Ocean Viking in diesem Gebiet antrifft, sind nicht für eine Reise auf hoher See geeignet. Sie sind fast immer überladen und nicht dafür konstruiert, den wechselnden Wetterbedingungen des Mittelmeers standzuhalten.
Die Beurteilung von Seenotfällen
Bei der Beurteilung der Situation zählt jede Minute und die Analyse muss gründlich sein. Die Anzahl der Personen an Bord wird mit der Grösse und dem Zustand des Bootes abgeglichen. Bei solchen überladenen Booten (manchmal bis zu zehn Personen pro Quadratmeter) besteht ein erhöhtes Risiko, dass das Boot kentert oder andere Stabilitätsprobleme auftreten. Als Nächstes überprüft das Team die Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit der Sicherheits- und Kommunikationsausrüstung. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle tragen die Menschen keine Rettungswesten. Sie verfügen weder über Nahrungs- und Wasservorräte noch über ein Navigationsgerät.
Diese sorgfältige Einschätzung ermöglicht es den SOS-MEDITERRANEE-Teams, über die beste Vorgehensweise zu entscheiden. Jede Situation ist anders und erfordert eine angemessene Einschätzung, um eine schnelle, effiziente und sichere Rettung für alle Menschen an Bord und die Besatzung zu gewährleisten.
Credits Titelbild: Hara Kaminara / SOS MEDITERRANEE
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